Gonsenheim setzt aufs Rad
Stadtteil Radkonzept für Mainz Gonsenheim
Rund 120.000 Bewohner:innen – und damit mehr als die Hälfte – der Stadt Mainz leben in Stadtteilen außerhalb des Innenstadtbereiches. Deshalb kommt der Schaffung von Stadtteil-Radnetzen eine große, aber oft unterschätzte, Bedeutung zu. Mit einem dichten und guten Radwegenetz vor der eigenen Haustür können kurze Autofahrten vermieden, sowie Umwelt und Klima geschont werden. Kinder, die regelmäßig mit dem Rad zur Schule fahren, erlernen so schon früh ein selbstständiges Handeln.
Auch für den Stadtteil Gonsenheim gilt: Die meisten Ziele der Radfahrer:innen liegen innerhalb des Stadtteils. Das Erreichen des Ortszentrums an der Achse Breite Straße/ Elbestraße ist dabei von größter Bedeutung. Leider ist das Befahren der Ortsdurchfahrt lebensgefährlich: Der Tramverkehr nutzt die Fahrbahn im Mischverkehr mit dem Kfz-Verkehr. Wenn Radfahrende in die Rillenschienen geraten, ist ein Sturz praktisch unausweichlich. Das plötzliche Öffnen von Autotüren der Kfz-Stellplätze am Fahrbahnrand erhöht das Risiko schwerer oder tödlicher Verletzungen.
Vor diesem Hintergrund hatte der ehemalige Stadt- und Verkehrsplaner Armin Schulz ein Radkonzept für Gonsenheim vorgelegt. Mit seiner Orts- und Fachkenntnis entwarf er ein Netz mit acht Routen. Neben dem Routennetz enthält das Konzept einen Zeit- und Finanzierungsplan, sowie insgesamt 66 Maßnahmenvorschläge.
Hier gehts zum Download des Radkonzeptes.
Das Radkonzept ist planerisch ein Beispiel für eine Vertiefung des Mapathon-Radnetzes
Das Mapathon berücksichtigt für das Gebiet der gesamten Stadt Mainz die wichtigsten Quelle- und Zielbeziehungen und stellt im Ergebnis ein sogenanntes Wunschliniennetz dar. Aus diesem ist im nächsten Planungsschritt unter Berücksichtigung der Qualität vorhandener Strecken und der zu erwartenden künftigen Nachfrage ein flächendeckendes Netzkonzept mit Darstellung der Routen auf geeigneten Straßen und Wegen zu entwickeln.
Das Radkonzept Gonsenheim setzt aufs Rad stellt das Netzkonzept konkret für einen Stadtteil dar und enthält eine Vorauswahl von geeigneten Führungsformen. Es beschreibt eine spätere Planungsphase, kurz vor der möglichen Ausführung von Projekten. Mit Erläuterungen zur empfohlenen Radwegart, anschaulichen Grafiken und Fotomontagen erleichtert es die politische Entscheidung zur Realisierung. Dazu trägt auch die Darstellung künftiger Querschnitte und einer Kostenabschätzung bei.
Angesichts der noch nicht erschlossenen Radpotentiale in Gonsenheim ist bei Realisierung ein tägliches Aufkommen in der Größenordnung von 20.000 bis 25.000 Radfahrten/ Werktag zu erwarten.
Verkehrserhebung belegt die Bedeutung des Fuß- und Radverkehrs
Die Zentralroute ist die bedeutsamste Route und wird über die Gerhart-Hauptmann-Straße geführt, weil die Anlage einer regelkonformen Radverkehrsanlage an der Breiten Straße (Ortsdurchfahrt und Einkaufsstraße) nicht machbar ist. Obwohl in der Gerhart-Hauptmann-Straße beidseitig auf dem Gehweg geparkt werden darf, verbleibt nur eine schmale Fahrrinne für den Begegnungsverkehr zwischen Auto und Rad. Daher wird im Konzept eine Reduzierung des Stellplatzangebotes vorgeschlagen. Im Radkonzept empfohlen wurde der Stadt Mainz, eine Entscheidung auf Grundlage einer Verkehrserhebung zu treffen. Ziel ist es, die Nutzungsansprüche der verschiedenen Verkehrsarten und Bewohnerbelange auf einer fundierten Grundlage abzuwägen und angemessen zu berücksichtigen.
Auch dem Ortsbeirat, der die Realisierung des Radkonzeptes prinzipiell begrüßt, diskutierte diese Frage und strebt eine möglichst einvernehmliche Lösung an.
Weil die Stadt Mainz jedoch diese Erhebung nicht durchgeführt hatte, hat die Initiative Gonsenheim setzt aufs Rad eine eigene Verkehrszählung in der Gerhart Hauptmann-Straße durchgeführt.
Festgestellt wurde:
· Dass an der Kreuzung Gerhart-Hauptmann-Straße der Autoverkehr nicht einmal die Hälfte des Gesamtverkehrsaufkommens einnimmt. Der Verkehrsraum ist jedoch einseitig auf die Belange des Autoverkehrs ausgerichtet.
· Fußgänger sind durch die viel zu geringe Rest-Gehwegbreiten stark behindert (nicht barrierefrei).
· Der Parkraum der Wohnstraße wird tagsüber stark von Beschäftigten der Breiten Straße beansprucht. Die Langzeitparker behindern den Fuß- und Radverkehr erheblich.
· Eine prinzipielle Eignung der Gerhart-Hauptmann-Straße als Radroute ist gegeben, wenn das Stellplatzangebot für Kfz reduziert wird.
Hier geht es zum Download der Verkehrserhebung.
Initiative Gonsenheim setzt aufs Rad
Das Radkonzept wurde im November 2020 von Dipl. Ing. Armin Schulz und Dr. Rupert Röder auch im Namen des VCD Rheinhessen der Verkehrsdezernentin der Stadt Mainz, Frau Eder überreicht. Seitdem ist in Gonsenheim ein Kreis von Unterstützern entstanden, der auf eine Realisierung des Radnetzes hofft. Die offizielle Gründung der Initiative Gonsenheim setzt aufs Rad musste bisher coronabedingt immer wieder verschoben werden.
Daten & Fakten
Der Anteil des Fahrradverkehrs am Gesamtaufkommen (sog. Modal Split) wird stark beeinflusst von der zurückzulegenden Entfernung. Liegt er im Bundesdurchschnitt bei einer Wegelänge von 1 bis 2km bei 20%, halbiert sich dieser bei einer zurückzulegenden Strecke von 5 bis 6 km auf 9,5%. Bei Wegen von 10 bis 12 km sinkt der Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen auf 4% aller Wege. Dies hatte die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellte Studie „Mobilität in Deutschland 2018“ ergeben. Selbst wenn sich die Entfernungsabhängigkeit künftig durch die stärkere Nutzung von Pedelecs abschwächen wird, zeigt sich, dass die Attraktivität des Radfahrens auf kurzen Strecken besonders hoch ist.
Das Anbieten komfortabler und sicher zurückzulegenden Radverbindungen im Stadtteil ist deshalb ein besonders effektives Mittel, um umweltbelastende Kurzfahrten zu vermindern (mit dem Auto zum Bäcker).
Viele Alltagsziele, zum Beispiel zur Nahversorgung, Schule oder Freizeitclubs sowie Besuche im eigenen Bekanntenkreis sind sehr kurz und werden doch oft mit dem Auto zurückgelegt. Sie könnten genauso gut zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Schmale Geh- und Radwege, lange Wartezeiten an Ampeln und plötzlich endende Radstreifen verleiten jedoch viele Menschen zu unnötigen Fahrten mit dem Auto. Das Rad bleibt im Keller und wird nur am Wochenende benutzt.
Wie der Trend der letzten Jahre zeigt, ist die gesellschaftliche Wertschätzung für das Rad gestiegen. Immer mehr Menschen fahren mit dem Rad. Demgegenüber ist die Qualität der Radinfrastruktur kaum angestiegen. Daran ändern auch die von vielen Städten fleißig angebrachten Markierungen für sogenannte Schutzstreifen mit dem Radsymbol auf der Fahrbahn nichts. Städte, die den Radverkehr wirklich stärken wollen, müssen sich bei der Planung an den Bedürfnissen der Allgemeinheit – und damit allen gesellschaftlichen Schichten und Millieus – ausrichten und Alltagswege sicherer und komfortabler machen.
Weitere Informationen:
Zum VCD-Rheinhessen
Kontakt:
Radkonzept.Gonsenheim@gmx.de